Eine lehrreiche Frage ist diese: was muss vorliegen, damit ein deutscher und ein norwegischer Relativsatz möglichst weit auseinanderklaffen? Sich also maximal unterscheiden?
Ein Kandidat für ein in diese Richtung gehendes Beispiel wäre dieser Spruch von Stan Getz:
- Worauf ich am stolzesten bin, ist, dass ich geworden bin, was ich immer hätte sein sollen: ein ehrenwerter Gentleman.
Eine norwegische Übersetzung? Wie wäre es mit dieser:
- Det jeg er stoltest av, er at jeg er blitt det jeg alltid burde ha vært: en honorable gentleman.
Da wollen wir die verschiedenen Kontraste, die da zusammenkommen, auseinanderschälen.
Fangen wir mit dem zweiten Relativsatz an:
- was ich immer hätte sein sollen
- jeg alltid burde ha vært
Was, sind das denn überhaupt Relativsätze? Oh ja, beide. Dabei sieht der norwegische wie ein abgehacktes Nebensatzgerüst aus – ohne Vorfeld, ohne K-Position, ohne Prädikativ (also das Satzglied, das bei være zusätzlich zum Subjekt zu erwarten ist). Da sieht es beim deutschen besser aus, das Abstechende ist da eher, dass der Relativsatz kein Bezugsnomen zu haben scheint.
Die Frage, ob er eines hat oder keines, kann nur theorieabhängig beantwortet werden. Sagt man, er hat eines, nimmt man ein phonetisch leeres das an; sagt man, er hat keines, nimmt man etwa einen phonetisch leeren definiten Artikel an oder, dass das Pronomen was einen solchen enthalten kann. Wie dem auch immer ist: der dass-Satz bedeutet dasselbe wie (5).
- dass ich das geworden bin, was ich immer hätte sein sollen
Den norwegischen Relativsatz könnte man dahin ergänzen, dass die K-Position gefüllt ist:
- som jeg alltid burde ha vært
Da die Subjektposition aber eben nicht leer ist, ist diese Subjunktion verzichtbar. Auf keinen Fall verzichtbar ist jedoch das norwegische Bezugsnomen – hier det.
Halten wir vorläufig fest: im Deutschen kann das Bezugsnomen fehlen, wenn es das wäre, wobei, wie auch sonst bei neutralen Pronomen u.a., das Relativpronomen nicht das/der/die sondern was ist. Im Norwegischen kann die Relativsubjunktion som fehlen, wenn das Subjekt nicht fehlt.
Nun zurück zum ersten Relativsatz:
- worauf ich am stolzesten bin
- det jeg er stoltest av
Wieder könnte man oben ein Bezugsnomen das vorschalten, und unten könnte man die Relativsubjunktion som einschalten. Was hier hinzukommt, ist die Präposition auf/av.
Aus norwegischer Sicht ist es einfach: die strandet eben – sie muss es sogar – wenn die P-Ergänzung relativiert und so phonetisch null wird. Was passiert im Deutschen? Darüber kann man in dem kleinen Absatz unmittelbar oberhalb des Beispielsatzes (187) im Skript nachlesen!
Ein anderes Beispiel für große Relativsatzkontraste bietet dieser Satz:
- Ein erster großer Dank geht an alle MitarbeiterInnen, dank deren Solidarität, Flexibilität und Einsatzbereitschaft bisher alle zum Teil tagesaktuell notwendigen Veränderungen umgesetzt werden konnten: neben der Erweiterung der Betreuungszeit, mussten für die Tagesgruppen nach deren vom Land verfügten Schließung Notbetreuungsgruppen eingerichtet werden.
Darüber kann man nun in Fußnote 20 nachlesen.