Das Kausativ in der übersetzerischen Praxis

Das deutsche lassen-Kausativ bereitet Übersetzenden nachweislich Schwierigkeiten. Hier zwei Fälle.


Kafkas Schloß: der letzte Satz

Im letzten Satz der im Projekt Gutenberg zugrunde gelegten Fassung des Kafka-Romans Das Schloß ruft die Wirtin K. nach:

      »Ich bekomme morgen ein neues Kleid, vielleicht lasse ich dich holen.«

In der englischen Übersetzung durch Anthea Bell wird dies wie folgt wiedergegeben:

      ‘I’m having a new dress delivered tomorrow. Perhaps I’ll let you go and fetch it.’

in der durch Mark Harman heißt es hingegen:

      “I am getting a new dress tomorrow, perhaps I shall send for you.”


Willy Brandts Erinnerungen

Der zweitletzte Satz der folgenden Passage aus Willy Brandts Erinnerungen wird in der norwegischen Übersetzung durch Sverre Dahl mit "i Bonn hadde han måttet tvinge sin regjeringskollega – Ernst Lemmer – til å skifte bolig og flytte ut av Berlin-representasjonen" wiedergegeben.

Eine gewisse Nähe ergab sich aus den Verhältnis von Bürgermeister zu Bürgermeister, zumal er [Adenauer] großes Verständnis für die Notwendigkeiten der Stadtkasse hatte und mir [Brandt] – gegen den Finanzminister – mehrfach half, das Geld einzutreiben, das Berlin brauchte. Bei seinen Besuchen in der Stadt äußerte er sich freimütig und boshaft über seine Minister; so erfuhr ich mehr Interna, als seiner Partei lieb sein konnte. Von einem, der mit am Tisch saß und dessen deutschlandpolitisches Drängen ihm mißfiel, meinte er, der sei, wie mir wohl geläufig, bei seiner letzten Rede in der Kongreßhalle "schlicht besoffen" gewesen; in Bonn hatte er den Kabinettskollegen – Ernst Lemmer – zwingen lassen, das Quartier zu wechseln und aus der Berlin-Vertretung auszuziehen. Begründung: "Wo er jetzt wohnt, verrät er den Sozis alles beim Kartenspielen."

(Quelle: Oslo Multilingual Corpus)