Es fragt sich, was die Königin den sprechenden Spiegel fragt:
Wenn (1) gefragt wird, kann der Spiegel nur "ja" oder "nein" antworten:
- Bin ich die Schönste im ganzen Land?
Dann steht "Bin" (finites Verb) in der K-Position und das Vorfeld bleibt leer, obwohl es ein Hauptsatz ist.
Wir wissen nun aber, dass (2) gefragt wird, so dass der Spiegel mit einer NP antworten muss: "Ihr" oder aber "Schneewittchen".
- Wer ist die Schönste im ganzen Land?
Dann steht "ist" (finites Verb) in der K-Position und "Wer" im Vorfeld.
Nun könnte es sein, dass jemand das Märchen nicht so erzählt:
- Wenn sie vor den trat und sich darin beschaute, frug sie: Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?
sondern (indirektes Referat!):
- Wenn sie vor den trat und sich darin beschaute, frug sie, wer die Schönste im ganzen Land sei.
Dann bleibt "sei" (finites Verb) hinten stehen, weil es ein Nebensatz ist – "wer" steht aber auch hier im Vorfeld. Das ist eine gemeinsame Eigenschaft von w-Wörtern in den meisten indogermanischen Sprachen: sie können nicht in situ bleiben sonder müssen gefrontet werden. Mit Haupt- versus Nebensatzstruktur hat das also nichts zu tun.
Erst recht interessant ist der Fragenebensatz, wenn er festlandskandinavisch ist – weil die K-Position dann auch besetzt sein kann oder sogar muss:
- Når hun gikk bort til det og spurte [ hvem [K *(som) [ _____ var den vakreste i landet ]]], …
Das "som" ist ein polyfunktionales, multi-tasking unflektierbares Wort, vergleichbar mit "als" und "wie" im Deutschen. Es hat Partikelfunktionen und Subjunktionsfunktionen, letzteres in Relativsätzen und Fragenebensätzen, und hat hier keinerlei Bedeutung, es ist ein rein formales Element.
Die Füllung der K-Position eines Fragesatzes ist im Standarddeutschen ausgeschlossen!
In etlichen deutschen, friesischen und niederländischen Dialekten ist es jedoch möglich – wobei als Subjunktion meistens eine Variante von "dass" dient, wie hier im Bairischen:
- I woaß ned wer daß des tõa hod. // Ich weiß nicht wer dass das getan hat
Etwa im Westfriesischen ist es aber eine Variante von "ob", "oft"/"’t".