Bisher haben wir gesehen, wie deutschen Nomenphrasen norwegische Sätze – vor allem Nebensätze – entsprechen können. Hier zwei Beispiele aus einem Leserbrief aus der Main-Post:
(1) Die Bereitschaft der Stadt Karlstadt, in vier Schritten die Sanierung anzugehen, ist deshalb zu begrüßen.
(2) Bei Verzicht auf passiven Luxus ist auch ein Kostenrahmen unter vier Millionen Euro möglich.
Kaum zu vermeiden wäre hier der Umstieg auf einen Nebensatz, etwa so:
(3) Når Karlstadt kommune nå vil sanere badet i fire omganger, må det derfor hilses med glede.
(4) Hvis en gir avkall på passiv luksus, vil en også kunne få kostnadene ned under fire millioner euro.
Was wir noch nicht gesehen haben, ist, wie einem deutschen Nebensatz bzw. einer deutschen NP ein norwegischer Hauptsatz, sowie, wie einem deutschen Satz, der kein Ganzsatz ist, ein norwegischer Ganzsatz (zwischen zwei Punkten) entsprechen kann. Das sind auch kontrastive Tendenzen, und auch Formen der Sententialisierung.
Sententialisierung als mehrschichtiges Phänomen
Sehen wir uns gleich ein weiteres Beispiel aus dem Leserbrief an:
(5) Ein Kinderplanschbecken und eine Breitrutsche sind angemessen und Standard. Warum aber Karlstadt nach 73 Jahren Schwimmbad passiven Luxus wie Sprudelliegen, einen Breitwasserfall und einen Massagepilz braucht, ist in Zeiten knapper Haushalte nicht nachvollziehbar, ebenso wie der Turm für die Badeaufsicht.
Zwar käme man umhin, den roten Satz in zwei oder mehr Hauptsätze aufzuspalten – ergeben würde sich dadurch aber ein besseres Norwegisch, wie etwa hier:
(6) Plaskebasseng og bredsklie er standard og helt på sin plass. Men det planlegges også både boblesenger, foss og geysir, og dette er luksus som det ikke er behov for nå som budsjettene er trange. Det samme gjelder tårnet for badevaktene som ligger i planene. Tross alt har vi levd godt med badeanlegget i 73 år.
Zählen wir nach: wo es im roten Original genau einen Hauptsatz gibt, besteht die blaue Übersetzung aus vier Hauptsätzen, wo in den zweiten ein Nebensatz, und in den noch einer, und in den dritten auch noch einer, eingebettet ist.
Verallgemeinernd lässt sich das Deutsche als eine Sprache mit hoher informationeller Dichte kennzeichnen, indem in einem Satz sehr viel Information verpackt werden kann, und auch wird.
Das Beispiel veranschaulicht auch eine weitere, verwandte Tendenz, indem dem einen deutschen Ganzsatz drei norwegische entsprechen – wobei Ganzsatz als Hauptsatz zwischen zwei Punkten bestimmt ist.
Tabellarisch (wo Sätze Hauptsätze und diese wiederum Ganzsätze umfassen):
D | N | |
Sätze | 2 | 7 |
Hauptsätze | 1 | 4 |
Ganzsätze | 1 | 3 |
Oder auch so (wo die drei Klassen einander ausschließen):
D | N | |
Nebensätze | 1 | 3 |
Fortsetzende Hauptsätze | 0 | 1 |
Ganzsätze | 1 | 3 |
Die Tendenz der relativen informationellen Dichte des Deutschen zieht sich durch alle drei Ebenen.
Nebengeordnete Hauptsätze und Ganzsätze
Sehen wir uns die zwei unteren Ebenen an, genauer, die Fälle, wo deutschen Nebensätzen oder NPen norwegische Hauptsätze entsprechen, seien sie Ganzsätze oder nicht, oder wo deutschen Hauptsätzen, die keine Ganzsätze sind, norwegische Ganzsätze entsprechen.
Als Ganzsatz gilt ein Hauptsatz – in der Schriftsprache – nur, wenn er zwischen zwei Punkten steht. Keine Ganzsätze, sondern nebengeordnet (koordiniert), sind zwei Hauptsätze demnach dann, wenn zwischen ihnen ein Komma (und vielleicht eine nebenordnende Konjunktion, wie "und" oder "aber"), ein Semikolon oder ein Doppelpunkt steht.
Ein deutsches Beispiel mit norwegischer Übersetzung in drei Fassungen, wo ein deutsch-norwegisches Gefälle von 1:3, was Hauptsätze allgemein betrifft, und 1:2, was Ganzsätze betrifft, erscheint:
(7) Dass zu den Klimafolgen auch ein allwinterliches Zufrieren der bislang natürlichen Grenzen Donau und Rhein gehörte, begünstigte die Völkerwanderung.
(8) Klimaendringene hadde også en annen konsekvens. Donau og Rhinen, som hadde dannet naturlige grenser, begynte nå å fryse til om vinteren, og dette var gunstig for folkevandringene.
(9) Folkevandringene ble påskyndet av klimaendringene på en annen måte også: Rhinen og Donau begynte å fryse til om vinteren. Disse to elvene hadde til nå dannet naturlige grenser.
(10) Når klimaet ble kaldere, hadde det også en annen forsterkende effekt på folkevandringene. Rhinen og Donau hadde hittil dannet naturlige grenser, men nå ble det mulig å krysse dem vinterstid.