Referat in der Presse – kontrastiv

Konzentrat von Pitz und Solfjeld (2019)

Hast Du Dir jemals überlegt, wie ein Bericht eines Redeereignisses aufgebaut ist?

Struktur: ThemeneinleitungThemenentfaltungSchluss

Zunächst wird das Thema angeschlagen – gleich in der Überschrift, und etwas wortreicher im Vorspann (‘ingressen’) bzw. am Anfang des Hauptteils. Dann wird das Thema entfaltet, was sich über viele Sätze erstrecken kann. Dem letzten Satz oder Absatz kommt in der Regel ein besonderer Stellenwert als Schluss zu.

Diese Struktur kann verschachtelt sein, indem in die Entfaltung wiederum eine oder mehrere Unterstrukturen eingebettet sein können.

Hier gleich zwei Beispiele, auf die zurückzukommen sein wird:

Deutscher Städtetag warnt vor Corona-Leichtsinn

Berlin: Der Deutsche Städtetag hat vor Leichtsinn im Umgang mit den Corona-Regeln gewarnt. Städtetags-Präsident Jung sagte der "Neuen Osnabrücker Zeitung", etliche Auflagen würden die Menschen noch den ganzen Winter über begleiten. Man brauche Geduld, um die Pandemie in Schach zu halten. Für Entwarnung sei es noch zu früh. Zugleich drückte Jung die Hoffnung aus, dass sich der Teil-Lockdown in der neuen Woche in den Infektionszahlen niederschlägt. Entscheidend sei, dass sich die Menschen weiter an die strengen Kontaktbeschränkungen halten. Nach seinen Worten tun das die allermeisten Menschen auch. Auch die verschärften Maskenregelungen in einem Teil der Innenstädte zeigten Wirkung, so Jung.

Coronavirus: Merkel offen für Aufweichung der schwarzen Null

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich offen dafür gezeigt, im Kampf gegen das neuartige Coronavirus das Prinzip der schwarzen Null im Bundeshaushalt zu vernachlässigen.

So habe der Haushaltsausschuss bereits rund eine Milliarde Euro zusätzlich für Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus bereitgestellt. Es könne in dieser Lage nicht jeden Tag gefragt werden, "was bedeutet das für unser Defizit".

Merkel machte deutlich, dass ihre Priorität auf der Bekämpfung des Virus liege. Erst "am Ende" werde geschaut, "was bedeutet das für unseren Haushalt", sagte sie. "Das andere geht jetzt vor." Zugleich wies die Kanzlerin darauf hin, dass Deutschland finanziell insgesamt "relativ robust" aufgestellt sei.

Führende Ökonomen in Deutschland hatten zuvor umfangreiche Maßnahmen zur Vermeidung einer Rezession gefordert. Sie plädierten unter anderem für eine Abkehr von der schwarzen Null.

Bausteine: Sprechaktverben, (in)direkte Rede, Redeanzeigen 

Ein Sprechaktverb ist ein Verb wie “warnen” oder “sich offen zeigen (für)” – vgl. die obigen Themeneinleitungen. Sie nehmen oft nicht Inhaltssätze (“dass”-Sätze etwa), sondern Nomenphrasen oder Infinitivsätze als Ergänzungen – vgl. “Leichtsinn im Umgang mit den Corona-Regeln” und “im Kampf gegen das neuartige Coronavirus das Prinzip der schwarzen Null im Bundeshaushalt zu vernachlässigen” in den obigen Themeneinleitungen.

Eine direkte Rede ist ein Zitat, in Anführungszeichen oder nach ‘sitatstrek’. Indirekte Rede liegt vor, wenn geäußerte Inhalte insofern aus der Autorenperspektive wiedergegeben werden, als deiktische Pronomen (wie “ich”) und Adverbien (wie “morgen”) ausgetauscht wurden und die Wiedergabe sinngemäß, nicht aber wortgetreu sein muss.

Dabei kann sie mit einer Quellanangabe, oder Redeanzeige, verbunden oder frei sein; im letzteren Fall nennt man sie auch berichtete Rede. Im ersteren Fall kann sie in Form eines Nebensatzes oder Hauptsatzes unter einem Verb des Sagens (verbum dicendi) eingebettet sein, oder die Redeanzeige kann adverbial sein – suchen wir Beispiele in den obigen Berichten.

Wenn mehrere Sätze direkter oder indirekter Rede aufeinanderfolgen, können wir von Äußerungssequenzen reden, wo sowohl Redeanzeigen, kommentierender Autorentext als auch Teilzitate eingesprenkelt sein können.

Letzter zu nennender Baustein: der Konjunktiv.

Wie die Bausteine in die Struktur eingebaut werden

wird von Sprache zu Sprache unterschiedlich sein – und nicht nur als direkte Folge davon, dass es im Englischen oder Norwegischen keinen Referatkonjunktiv gibt, sondern auch als indirekte Folgen davon.

Hauptbefunde bei Pitz und Solfjeld (2019)

Gemeinsamkeiten: Zur Themeneinleitung dienen Sprechhandlungsverben mit Nominaliserungen oder Infinitiv- bzw. Partizipsätzen, und die Themenentfaltung fängt in der Regel mit direkter oder indirekter Rede an – vgl. die beiden hellgrünen Passagen oben sowie:

Solberg varsler innstramminger – men skjermer helsevesen, barn, unge og arbeidsplasser

Statsminister Erna Solberg (H) varsler nye innstramminger og avlyser enkelte lettelser i koronarestriksjonene i landet. Hun er bekymret over smittesituasjonen.

– Det er nok litt for lave skuldre nå, sier Erna Solberg til NRK. […]

London: Britain announced new measures to reduce travel in and out of the country on Wednesday, hoping that by tightening its borders it can reduce the risk of new variants of the coronavirus spreading and putting its vaccination programme at risk.

Travellers arriving in Britain from high-risk COVID-19 countries will have to quarantine for 10 days in government-provided accommodation, while those wishing to leave will need to explain why in a process checked before departure, interior minister Priti Patel said on Wednesday. […]

Unterschiede: Während im Deutschen eine direkte Rede jeweils höchstens aus einem Satz besteht, kommen im Englischen und Norwegischen längere Folgen direkter Rede häufig vor. Es liegt nahe, hier einen Ausgleich zwischen berichteter Rede und direkter Rede anzunehmen – eine erste indirekte Folge des fehlenden Konjunktivs.

Und: Redeanzeigen werden im Englischen und Norwegischen häufiger eingesetzt als im Deutschen – besonders im Norwegischen, wo Äußerungsfolgen direkter oder indirekter Rede typischerweise abschließende Redeanzeigen angehängt werden.

Der diesbezügliche Unterschied zwischen Englisch und Norwegisch dürfte mit den Anführungszeichen gegenüber dem ‘sitatstrek’ zusammenhängen – da dieser nur einen linken, keinen rechten Rand hat, kann man nicht wissen, wo die direkte Rede aufhört und ein etwaiger Autorentext anfängt.